AID-Systeme, Interoperabilität, psychologische Aspekte, Schulungen, Apps und virtuelle Schulungen und Sprechstunden – das Programm der diatec 2023 war voll, bunt und hochaktuell. Wir haben die Konferenz live begleitet und fassen in diesem Beitrag einige der Highlights zusammen.
Die Zukunft der Diabetestherapie ist heute! Beim großen Diabetes- und Technologiekongress diatec, der vom 26.– 28.01.2023 in Berlin stattgefunden hat, waren sowohl Aufbruchsstimmung als auch der Wunsch nach weiteren Entwicklungen zu spüren. Die Konferenz stand ganz im Zeichen der personalisierten Technologie: Interoperabilität von Sensoren, Algorithmen und Pumpen bei AID-Systemen, Apps, Smart Pens und – noch Zukunftsmusik – Algorithmen, die tatsächlich aus den individuellen Daten der Nutzenden lernen und – noch fernere Zukunftsmusik – Informationen aus unterschiedlichsten Tracking-Apps integrieren.
Viele Perspektiven auf Technologie
Die diesjährige diatec fand zur Freude aller Besucher endlich wieder auch in Person statt. Insgesamt nahmen rund 900 Personen teil, etwa die Häfte virtuell und die Hälfte vor Ort in Berlin. Auf dem Programm standen die Vorstellung der aktuellsten Zahlen aus der D.U.T.-Umfrage 2023 (hier geht es zur Website des D.U.T.-Reports), viele Informationen und Diskussionen über die zur Zeit verfügbaren AID-Systeme, sowie eine intensive Auseinandersetzung auch mit dem Thema Lebensqualität und psychologische Aspekte von Diabetestechnologie. Das letzte Symposium wandte sich der Frage nach dem Einsatz von Diabetestechnologie bei Menschen mit Typ-2-Diabetes zu – einer großen potentiellen Nutzergruppe, die andere Bedürfnisse hat als Menschen mit Typ-1-Diabetes.
Vorstellung erster Ergebnisse der D.U.T.-Umfrage 2023
Auch 2022/23 haben wieder 336 Diabetologinnen und 764 Diabetesberater an der Umfrage zu Diabetes und Technologie teilgenommen, die das FIDAM seit 2018 jährlich durchführt und auswertet. Einige wesentliche Ergebnisse kurz zusammengefasst: Aktuell haben etwa 80% der Menschen mit Typ-1-Diabetes einen Glukosesensor, 10% ein AID-System. Die Befragten erwarten, dass in den nächsten fünf Jahren fast 90% aller Menschen mit Typ-1-Diabetes Glukosesensoren nutzen und dass die Versorgung mit einem AID-System ebenfalls perspektivisch die Norm wird. Hier ist insbesondere die Interoperabilität der Systeme wichtig: es muss möglich sein, Sensor, Pumpe und Algorithmus frei miteinander zu kombinieren. Auch für Menschen mit Typ-2-Diabetes werden Glukosesensoren als Potential gesehen, wenn auch vielleicht nur bei intermittierendem Einsatz.
AID-Praxisseminar
Im AID-Praxisseminar wurden die aktuell verfügbaren AID-Systeme vorgestellt. Ein Ergebnis der D.U.T.-Umfrage und eine Beobachtung aus vielen Praxen ist, dass etwa 16% der Menschen mit kommerziellen AID-Systemen mit ihrem System unzufrieden sind und dass etwa 6-8% die Therapie abbrechen und wieder ohne AID-System arbeiten. Entsprechend führt Lutz Heinemann in den Workshop ein: „Die Erwartungshaltung ist zentral. AID-Systeme sind eine tolle Unterstützung und ein wunderbarer Fortschritt, aber sie sind keine Heilung!“ Dieses Bewusstsein ist sowohl für die Praxisteams als auch für die Nutzenden der Systeme zentral, um Enttäuschungen und entsprechenden Therapieabbrüchen vorzubeugen. Erwartungsmanagement, aber auch Schulung und Betreuung – und ein initialer Mehraufwand beim Wechsel auf die neuen Systeme – sind wesentliche Punkte, die sich in dem Workshop herauskristallisieren. Insgesamt helfen AID-Systeme den Nutzenden, mit weniger Behandlungsaufwand im Alltag gute bis sehr gute Stoffwechseleinstellungen zu erreichen und werden sowohl von den Praxisteams als auch von den Menschen mit Diabetes größtenteils positiv bewertet. Hier spricht Lutz Heinemann auch einen großen Dank und eine Anerkennung an die Open Source Looper Community aus: „Ohne euch wären wir heute nicht da, wo wir jetzt stehen!“
Psychologische Aspekte rund um Technologie
Was in den verschiedenen Vorträgen und Workshops während der diatec aber auch klar wird: Technologien bringen auch neue Belastungen mit sich. Sprachwissenschaftlerin Rita Vallentin beispielsweise beschreibt eindrücklich anhand von Interviews, wie unterschiedlich Menschen mit Diabetes das Verschmelzen mit und die Abhängigkeit von der Technologie erleben. In weiteren Workshops und Vorträgen geht es um den Umgang mit der ständigen Verfügbarkeit von Daten, um Perfektionismus und Erwartungsmanagement auch sich selbst gegenüber. Auch hier wird wieder klar: Gute, strukturierte Schulungen, offene Gespräche zwischen Diabetesteam und Patienten, sowie auch der Austausch der Patienten untereinander sind wichtige Bausteine, damit Technologie mehr Segen als Fluch bleibt.
Zukunftsperspektiven rund um Diabetestechnologie
Zum Abschluss der Konferenz standen plötzlich Hagrid (Anreas Thomas), McGonagall (Sandra Schlüter) und Dumbledore (Lutz Heinemann) auf der Bühne. In ihre Glaskugel schauend sagten sie allerhand Innovationen voraus – was davon sich denn nun wie schnell bewahrheitet, wird auf den nächsten diatec-Kongressen zu diskutieren sein. Einige Beispiele: die eingangs erwähnten lernenden, personalisierten Algorithmen der AID-Systeme, Interoperabilität zwischen allen Elementen eines AID-Systems, die Integration von Umwelt-, Bewegungs- und weiteren Aktivitätsinformationen in den Algorithmus, aber auch die Übernahme von Online-Terminen und -Schulungen durch die Krankenkassen sowie eine schnelle Zulassung strukturierter Schulungsprogramme für die (gar nicht mehr so) neuen Technologien. Ein bunter Blumenstrauß also – da dürfen wir alle gespannt sein auf die Zukunft und natürlich die nächste diatec, die ganz im Zeichen der KI stehen wird.