Wissenschaftlerinnen aus dem Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg decken grundlegende Mechanismen auf, wie genetische Veränderungen in Kernhüllenproteinen zu Herzmuskelerkrankungen führen und welche Rolle gestörte Reparaturmechanismen der Zellkernhülle bei der vorzeitigen Zellalterung sowie bei der Entwicklung von Fibrose bei Kardiomyopathien spielen können.
Wie können wir das Altern verlangsamen? Und wie lassen sich typische Alterserkrankungen verhindern? Einen Baustein zur Erkenntnis von Alterungsprozessen im Herzen haben jetzt Ruping Chen und Brenda Gerull aus dem Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) am Uniklinikum Würzburg geliefert. Die Wissenschaftlerinnen forschen schon länger an Mutationen im Kernmembranprotein LEMD2. Genetische Veränderungen im LEMD2-Protein führen (ähnlich wie Mutationen im Lamin-Protein) zu vorzeitigen Alterungskrankheiten, die, wenn sie das Herz betreffen, bereits in jungen Jahren progressive Herzschwäche und schwere Herzrhythmusstörungen verursachen können. Spezifische Therapien gibt es nach Auskunft der Uniklinik Würzburg bislang nicht.
Mutation führt zu Einstülpungen der Zellkernmembran
Um die komplexen Mechanismen aufzudecken, die das Herz durch die Genmutation früher altern lassen, hat Ruping Chen die humane LEMD2-Mutation namens p.L13R sowohl im Maus- als auch im Zellkulturmodell näher untersucht, heißt es in einer Pressemitteilung des Uniklinikums. Erste molekulare und zelluläre Veränderungen am Herzen der Mäuse konnte die Biomedizinerin schon nach wenigen Wochen beobachten. Nach neun Monaten haben die Mäuse schließlich einen klinischen Phänotyp entwickelt, der dem bei jungen Menschen, die diese Mutation tragen, sehr ähnlich ist: Die zunehmende Steifheit begünstigt den fibrotischen Umbau und führt in der Konsequenz zu Herzschwäche und schweren Arrhythmien.
Doch warum altert das Herz durch die Mutation vorzeitig? „Wir haben in elektronenmikroskopischen Aufnahmen des Zellkerns gesehen, dass die Mutation zu Einstülpungen der eigentlich rundlichen Zellkernmembran führt, was wiederum die Funktionen des Zellkerns stört. Es kommt zu Rupturen in der Kernhülle und zur Erschöpfung der zelleigenen Reparaturmechanismen. Die Zellkernmembran wird löchrig und damit kommt es zu DNA Schäden. Die Zelle kann ihre natürlichen Reparaturfunktionen nicht mehr vollständig gewährleisten“, erklärt Ruping Chen.
Gestörter Reparaturmechanismus begünstigt vorzeitige Zellalterung
Zum Hintergrund: Schätzungen zufolge wird die DNA in jeder Zelle unseres Körpers täglich bis zu einer Million Mal geschädigt. Der gesunde Mensch verfügt jedoch über einen guten Reparaturmechanismus, denn unser Genom enthält die Anleitung für sämtliche zellulären Prozesse im Körper, auch für Reparaturen. Das heißt, unsere DNA erkennt die Schäden und repariert sie. Mit zunehmenden Alter, durch Umwelteinflüsse und ungesunde Lebensweisen lassen diese Funktionen jedoch nach, die Schäden mutieren in unserem Genom, der Altersprozess wird beschleunigt, es kommt zu Krankheiten.
„Wir konnten mit unseren Untersuchungen nun Signalwege postulieren, deren Aktivierung eine vorzeitige Zellalterung und damit verbunden Entzündung und Fibrose fördert“, resümiert Brenda Gerull, Leiterin des Departements Kardiovaskuläre Genetik am DZHI. „Letztlich erweitert unsere Arbeit zum LEMD2 mechanistische Erkenntnisse, die auch bei anderen Kardiomyopathien aber auch im natürlichen Alterungsprozess eine Rolle spielen könnten.“ Die Studie, die in Kooperation mit der Medizinischen Klinik I am Uniklinikum Würzburg und dem Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Würzburg durchgeführt wurde, hat jetzt das Fachjournal Circulation Research veröffentlicht. Zur Publikation gibt es in der Ausgabe vom 20. Januar 2023 (Volume 132, Issue 2) zudem ein Editorial.
Die Untersuchungen von Ruping Chen wurden von der Deutschen Stiftung für Herzforschung und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie finanziell unterstützt, Brenda Gerull erhielt Förderungen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des SFB 1525 und des Interdisziplinären Zentrums für Klinische Forschung. In den nächsten Schritten möchten die Wissenschaftlerinnen verschiedene Möglichkeiten der therapeutischen Interventionen testen und hierbei unter anderem ein humanes Modell nutzen, sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen. Ferner sollen die Aktivierung der Bindegewebszellen, der sogenannten Fibroblasten, näher untersucht werden, da sie neben den Herzmuskelzellen, den so genannten Kardiomyozyten eine wichtige Rolle beim Fortschreiten der Erkrankung spielen.
Quelle: Uniklinikum Würzburg | Redaktion