Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung des DZD hat einen neuen Botenstoff identifiziert, der das Entstehen von Insulinresistenz sowie chronischen Entzündungen begünstigt. Er wird bei starkem Übergewicht aus den Fettzellen des Bauchfetts freigesetzt und ans Blut abgegeben. Die neuen Erkenntnisse könnten künftig dazu beitragen, alternative Ansätze für die Therapie durch Übergewicht verursachter Erkrankungen zu entwickeln.
Jedes Jahr sterben mehr als 2,8 Millionen Menschen an den Folgen von Übergewicht und Fettsucht [1]. Übergewicht und das damit verbundene metabolische Syndrom [2] erhöhen das Risiko für Typ-2-Diabetes, bestimmte Krebsarten sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das belegen wissenschaftliche Erkenntnisse der vergangenen Jahre. Ursache der Folgeerkrankungen sind chronische Entzündungsreaktionen.
Allerdings sind die molekularen Mechanismen, die zu diesen übergewichtsbedingten Entzündungsprozessen führen, noch weitgehend unbekannt. Hier setzen die Arbeiten des internationalen Wissenschaftlerteams unter Führung von PD Dr. Natalia Rudovich (Spital Bülach; Charité Universitätsmedizin Berlin), Prof. Dr. Margriet Ouwens (Deutsches Diabetes-Zentrum Düsseldorf) und PD Dr. Olga Pivovarova vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) an.
WISP1 beeinträchtigt die Insulinwirkung in Muskelzellen und Leber
Die Forschenden konnten zum ersten Mal zeigen, wie das Eiweißmolekül Wingless-type signaling pathway protein-1 (WISP1) direkt die Insulinwirkung in Muskelzellen sowie in der Leber negativ beeinträchtigt und dadurch zur Insulinunempfindlichkeit führt.
Bereits 2015 hat das Team um Medizinerin Rudovich und Biologin Pivovarova WISP1 als ein weiteres mögliches Bindeglied zwischen Übergewicht und chronischen Entzündungsreaktionen identifiziert [3]. WISP1 wurde bis dahin mit der Regulation des Knochenwachstums, dem Entstehen einiger Krebsarten und der Lungenfibrose in Verbindung gebracht.
Die aktuelle Studie zeigt, dass WISP1 die Insulin-induzierte Hemmung von Glukoseproduktion (Glukoneogese [4]) in murinen Leberzellen und die Erhöhung des Glykogenaufbaus (Glykogensynthese [5]) in menschlichen Muskelzellen aufhebt. Die Synthesemenge des WISP1-Proteins korreliert mit den Blutzuckerkonzentrationen im Glukosebelastungstest (OGTT) sowie mit dem zirkulierenden Spiegel der Hämoxygenase-1 (HO-1), ein Enzym, das vor allem bei Adipositas chronische Entzündungen fördert [6].
„Wir vermuten, dass eine vermehrte WISP1- Produktion aus dem Bauchfett eine der Ursache sein könnte, warum übergewichtige Menschen oft einen gestörten Glukosestoffwechsel haben“, sagt Erstautorin Tina Hörbelt vom Deutschen Diabetes-Zentrum in Düsseldorf, einem Partner des DZD.
Möglicher neuer Ansatz für medikamentöse Therapien
„Eine mögliche Ursache für die vermehrte WISP1-Produktion und Freisetzung aus den Bauchfettzellen könnte die schlechte Sauerstoffversorgung (Hypoxie) der Gewebe sein. Dies könnte zu den chronischen Entzündungsreaktionen führen“, erklärt Pivovarova vom DIfE.
Die neuen Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift Diabetologia (Hörbelt et al, 2018) [7] veröffentlicht wurden, eröffnen alternative Ansätze für die Therapie von Erkrankungen, die durch Übergewicht verursacht werden. „Denkbar wären zum Beispiel Medikamente, die gezielt die WISP1-Wirkung an Muskeln und Leberzellen verhindern und somit zu einer besseren Insulinwirkung in diesen Geweben führen“, erläutert Rudovich, leitende Diabetologin und Endokrinologin im Spital Bülach.
Von der Grundlagenforschung [8] bis zum einsatzfähigen Therapeutikum sei es aber noch ein langer Weg, so die Medizinerin weiter. Dennoch würden die neuen Erkenntnisse schon jetzt dazu beitragen, die Zusammenhänge zwischen Übergewicht, Immunsystem und Stoffwechsel-Erkrankungen besser zu verstehen.
Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung