Diabetiker müssen im Alltag komplexe Entscheidungen treffen und Vorsätze tatsächlich umsetzen – ihnen dabei zu helfen ist das Ziel des Göttinger Forschungsprojektes "GlycoRec". Dabei handelt es sich um ein adaptives, lernendes System, auch interaktives Bio-Life-Logging genannt. Die Koordinationsstelle des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 1,4 Millionen Euro geförderten Projektes befindet sich an der PFH Privaten Hochschule Göttingen im Bereich Wirtschaftspsychologie.

Anfang Februar 2015 startete das Projekt GlycoRec in die Umsetzungsphase. Das Forschungsvorhaben untersucht , wie Patienten im Alltag besser unterstützt werden können und entwickelt anhand von physiologischen Daten und Umgebungsdaten individuelle Benutzer- und Kontextmodelle. Diese erlauben es, genauere Prognosen und individuelle Empfehlungen für den Patienten zu geben. GlycoRec stellt eine erweiterbare, integrierte Infrastruktur aus Sensorik, Modellierung und Patienteninteraktion zur Verfügung.

Prototyp für interaktives Bio-Life-Logging in 3 Jahren erwartet

Um eine solche Infrastruktur bereit zu stellen, ist es notwendig, neue Technologien und Methoden in der Sensorik, der Modellierung und der Benutzerinteraktion zu entwickeln. Diese werden dazu beitragen, dass Patienten mit ihrer Krankheit besser umgehen können und weniger Folgeerkrankungen entstehen. In diesem Sinne ist GlyoRec ein interaktives Bio-Life-Logging für einen verständlicheren Umgang mit Diabetes. Das Projektteam plant, in drei Jahren einen Prototyp entwickelt zu haben.

Datenanalyse soll bei komplexen Entscheidungen im Alltag helfen

Hier setzt GlycoRec (von "Glycose" und "Recommendation" [also Empfehlung]) an, das Diabetes-Patienten im Alltag bei ihren Entscheidungen unterstützen soll. GlycoRec sammelt individuelle Patientendaten mit Hilfe einer Reihe physiologischer Sensoren (Blutzucker, Körpergewicht, Blutdruck) sowie Informationen über den individuellen Kontext (zu Hause, unterwegs, im Supermarkt, Wochentag, Tageszeit, Metainformationen von Lebensmitteln). Anschließend erfolgt eine Analyse der aktuellen Situation.

Information über Smartphone App oder Smart-TV

Dies lässt sich auf zweierlei Arten nutzen: Erstens kann der Patient die Initiative ergreifen und um Hilfe bei einer Entscheidung bitten. In einem interaktiven Beratungsdialog kann er Alternativen für Ernährung, Aktivitäten und Medikamenteneinnahme vergleichen und deren Konsequenzen durchspielen. Zweitens kann aber auch das System die Initiative ergreifen, etwa weil die prognostizierten Werte einen Toleranzbereich zu verlassen drohen. Auch in diesem Fall kann der Patient individuelle Handlungsoptionen gegeneinander abwägen. Abrufen kann der Nutzer diese Informationen je nach Vorliebe unterwegs über eine Smartphone-App oder zu Hause über Smart-TV.

Antragsteller und Koordinator des Projektes ist Dr. Stephan Weibelzahl, Professor für Wirtschaftspsychologie an der PFH. Er und sein Team sind für die Entwicklung der Interaktivität und Benutzeroberfläche verantwortlich. Technologiepartner des Projektes ist die Emperra E-Health Technologies aus Potsdam, welche die Server-Infrastruktur für eine zentrale Datenbank sowie einen Teil der Sensorik-Hardware beisteuert. Die Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden entwickelt und erprobt neuartige Sensorik im Hinblick auf deren Nutzen für die Datenmodellierung. Das L3S Forschungszentrum an der Leibniz-Universität Hannover arbeitet an Algorithmen zur automatischen Analyse der Patientendaten. Das Deutsche Diabetes Zentrum schließlich als Anwendungspartner stellt den Zugang zu Patienten und damit eine Relevanzabschätzung sicher.


Quelle: Mitteilung PFH Private Hochschule Göttingen