Menschen mit Typ-2-Diabetes fühlen sich im Alltag häufig diskriminiert und vermeiden es deshalb, sich öffentlich zu ihrer Erkrankung zu bekennen. Das wurde in einer Pressekonferenz zur Vorstellung des Positionspapiers „Sprache und Diabetes – Language Matters“ deutlich, in der anlässlich des Weltdiabetestages 2022 auf die Bedeutung einer sensiblen Wortwahl für das erfolgreiche Management der chronischen Stoffwechselstörung hingewiesen wurde.

Menschen mit Typ-2-Diabetes wird demnach häufig das Gefühl vermittelt, dass sie ihre Erkrankung selbst verschuldet haben, weil sie einfach zu viel gegessen und sich zu wenig bewegt haben, erklärt Diplom-Psychologe Prof. Bernhard Kulzer. „Das gilt als charakterschwach, und so will man nicht wahrgenommen werden“, betont der Experte. Aus diesem Grund sei es auch sehr schwierig, prominente Vorbilder für Menschen mit Typ-2-Diabetes zu finden, obwohl es angesichts rund 8,5 Millionen Betroffener in Deutschland eigentlich zahlreiche Beispiele geben müsste.

Diskriminierende Sprache im Umgang mit Typ-2-Diabetikern halten die Autoren des Positionspapiers für unangebracht und bedenklich. Zum einen sei es nicht zutreffend, dass die Erkrankung komplett selbstverschuldet ist, da zu den wesentlichen Risikofaktoren auch eine erbliche Vorbelastung zählt, wie der Diplom-Psychologe ergänzt. Zum anderen haben Schuldzuweisungen in der Medizin ohnehin nichts zu suchen, macht der Vizepräsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), Prof. Andreas Fritsche, deutlich.

Menschen mit einem anderen Diabetes-Typ haben ebenfalls kein Verständnis für die Diskriminierung von Betroffenen mit Typ 2, erläutert die Kinderärztin Dr. Katarina Braune, die selbst mit Typ-1-Diabetes lebt. „Als Diabetes-Community machen uns auch für unsere Peers mit allen anderen Diabetesformen stark“, verdeutlicht sie. „Wir halten nichts davon, darauf hinzuweisen, dass bestimmte Lifestyle-Faktoren in einer schuldbehafteten Art für Diabetes verantwortlich sind.“

Obwohl bei Entstehung der Autoimmunerkrankung Typ-1-Diabetes falsche Ernährung und Bewegungsmangel überhaupt keine Rolle spielen, kennen auch viele Menschen mit dieser Stoffwechselstörung die beschriebenen Schuldzuweisungen. Die Betroffenen fühlen sich zwar möglicherweise nicht diskriminiert, wenn sie eine Frage wie „Was hast du denn Falsches gegessen?“ hören, hat der niedergelassene Diabetologe Dr. Jens Kröger festgestellt, denn sie selbst kennen natürlich den Unterschied zwischen den Diabetes-Typen. Gleichwohl kann auch für sie eine derartige Frage verletzend sein, da sie sich als Menschen mit Typ-1-Diabetes nicht gut verstanden oder abgeholt fühlen, wenn ihnen mit derartiger Unkenntnis begegnet wird.

Initiatoren des Positionspapiers „Sprache und Diabetes – Language Matters“ sind die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), diabetesDE und die Online-Community #dedoc°. Sie wollen darauf hinweisen, dass der Sprachgebrauch die Selbstwahrnehmung von Menschen mit Diabetes stark beeinflussen kann. Dies gelte für die Kommunikation mit Ärzten und medizinischem Fachpersonal, aber auch für alltägliche Gespräche und Berichterstattung in den Medien. Die Wortwahl kann demnach sogar spürbare Auswirkungen auf das Diabetes-Management der Betroffenen haben.

Weitere Informationen
Weitere Informationen sowie das Positionspapier mit vielen Beispielen für gelingende Formulierungen im Gespräch mit Menschen mit Diabetes finden Sie unter #LanguageMatters | #dedoc°.


Autor:
Thorsten Ferdinand
Redaktion diabetes-online
Verlag Kirchheim & Co GmbH
Wilhelm-Theodor-Römheld-Str. 14, 55130 Mainz