Bei Menschen mit Übergewicht und Typ-2-Diabetes reicht es oftmals nicht aus, die Glukosewerte im Zielbereich zu halten, um Folgeerkrankungen zu verhindern. Es ist darüber hinaus wichtig, das Körpergewicht zu reduzieren und dabei zur Unterstützung auch eine medikamentöse Therapie zu beginnen. Dies machten der Endokrinologe und Diabetologe Prof. Dr. Stephan Jacob und die Allgemeinmedizinerin Lucie Armbrecht bei einem Pressegespräch anlässlich der Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) deutlich. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Pharmaunternehmen Novo Nordisk.

Menschen mit Typ-2-Diabetes haben nach Angaben der Experten eine hohe Wahrscheinlichkeit, eine Herzschwäche zu entwickeln oder auch einen Schlaganfall zu erleiden, selbst wenn sich ihr HbA1c-Wert im Zielbereich bewegt. „Wir müssen den Patienten klarmachen, dass ihr Risiko nicht nur der Zucker ist“, betonte der Endokrinologe und Diabetologe Prof. Dr. Stephan Jacob deshalb bei der DDG-Herbsttagung. Die kardiovaskulären Risiken seien bei Menschen mit Typ-2-Diabetes meist auch aufgrund anderer Faktoren erhöht – als Beispiele wurden Bluthochdruck und erhöhte Cholesterinwerte genannt. Eine frühzeitige interdisziplinäre Behandlung der Betroffen sei deshalb wichtig, um Folgeerkrankungen möglichst zu verhindern. „Die Gewichtsreduktion ist dabei der Dreh- und Angelpunkt für alles“, so Jacob weiter.

Sofern das Abnehmen nur mit einer Lebensstiländerung und dem Antidiabetikum Metformin nicht gelingt, empfiehlt sich laut Jacob eine Behandlung mit einem GLP-1-Rezeptor-Agonisten wie zum Beispiel Semaglutid (Handelsname Ozempic in der Diabetes-Therapie). Das Medikament wird einmal wöchentlich injiziert, was die Patienten in der Regel selbst übernehmen können. Es senkt nicht nur die Blutzuckerwerte, sondern hilft auch beim Abnehmen, weil es appetitzügelnd wirkt. In Studien lag der durchschnittliche Gewichtsverlust der Anwender nach einem Jahr bei etwa 15 Prozent, hieß es bei dem von Novo Nordisk organisierten Pressegespräch.

In den USA sorgte Semaglutid zwischenzeitlich für Schlagzeilen, weil es trotz Warnungen von normalgewichtigen Menschen ohne Diabetes als „Diätmittel“ verwendet wurde. Der Wirkstoff wurde dort schon früher als Medikament zur Adipositas-Behandlung zugelassen (Handelsname Wegovy). Die erhöhte Nachfrage in den Vereinigten Staaten führte weltweit zu Lieferengpässen, worunter Patienten mit Typ-2-Diabetes und Adipositas zu leiden hatten, die den Wirkstoff aus medizinischen Gründen benötigen. In Deutschland ist Semaglutid verschreibungspflichtig.

Novo Nordisk wies wiederholt darauf hin, dass die Medikamente nur für Adipositas-Patienten und übergewichtige Menschen mit Typ-2-Diabetes zugelassen sind. Der Wirkstoff soll zudem immer in Kombination mit Diät und körperlicher Aktivität zur Anwendung kommen. Prof. Dr. Jacob betonte überdies, dass Semaglutid bei vorliegender Indikation dauerhaft verabreicht werden sollte, da die Patienten ansonsten nach dem Absetzen meist wieder zunehmen.

Bei Menschen, die das Präparat tatsächlich brauchen, kommt es nach Angaben des Experten bisher noch zu selten zum Einsatz. Es sei deshalb eine bessere interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen erforderlich, machte der Endokrinologe und Diabetologe deutlich. „Ein Typ-2-Diabetes ohne zusätzliche Risikofaktoren ist in der Praxis sehr selten“, betonte Jacob. Er appellierte unter anderem an die Hausärzte, bei Menschen mit Diabetes die kardiovaskulären Erkrankungen in ihrer Familie ebenfalls abzufragen und bei Risikopatienten möglichst frühzeitig mit einer Kombinationstherapie zu beginnen. Auch die Behandlung mit einem lang wirksamen Basalinsulin sollte erwogen werden, wenn bei Patienten nur mit Metformin keine Glukosewerte im Zielbereich erreicht werden. Die Angst der Betroffenen vor dem Spritzen lege sich meist nach den ersten praktischen Erfahrungen, hieß es.



Autor:
Thorsten Ferdinand
Redaktion diabetologie-online
Verlag Kirchheim & Co GmbH
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