Jede manifeste Hypothyreose bei älteren Menschen sollte behandelt werden. Soweit so gut. Das heißt jedoch nicht, dass man eine Überbehandlung akzeptieren sollte. Eine kritische Überprüfung der Therapie ist geboten. Professor Reinhard Zick erklärt warum.
Bei Patienten über 65 Jahre soll die Prävalenz der manifesten Hypothyreose (fT3, fT4 erniedrigt und TSH erhöht) zwischen 0,6 und 6 % liegen (Girlich C et al. DMW 2014). Hauptursachen der Schilddrüsenunterfunktion sind bei diesen Mitbürgern die Folgen einer langjährigen Autoimmunthyreopathie, gefolgt von den späten Konsequenzen einer Schilddrüsenoperation oder Radiojodtherapie.
Hypothyreose
Jede manifeste Hypothyreose im Alter sollte behandelt werden. Man beginnt mit einer niedrigen Initialdosis von z. B. 25 ug/d Levothyroxin. Die tägliche Dosis wird im Abstand von zwei Wochen und in 12,5 bis 25 ug Schritten nach oben titriert. Anzustreben sind TSH Werte die zwischen 2 bis 4 mU/l liegen sollten.
Bei jeder 5. Frau über 65 Jahre lässt sich eine subklinische Hypothyreose nachweisen (fT3, fT4 normal, TSH < 10) Beim männlichen Geschlecht ist nur jeder 10. ältere Mitbürger betroffen. Die subklinische Hypothyreose bedarf bei fehlender Symptomatik keiner medikamentösen Behandlung. Diese Empfehlung wird gegeben da bisherige Untersuchungen zeigen konnten dass eine subklinische Hypothyreose keinen Einfluss auf Gedächtnisleistung, Neigung zu Depressionen und die Lebensqualität im Senium zu haben scheint.
Folgerichtig werden unseres Erachtens viele ältere Patienten bei denen tatsächlich nur eine subklinische Hypothyreose vorliegt durch eine Hormonsubstitution überbehandelt. Ich empfehle deshalb eine kritische Überprüfung der eigenen älteren Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen. Wenn im Zweifelsfall 14 Tage nach Absetzen der Schilddrüsenhormonsubstitution die fT3- und fT4-Werte im Normbereich liegen und der TSH sich unterhalb von 10 mU/l bewegt, kann die Neuaufnahme der Schilddrüsenhormonsubstitution sicherlich hinterfragt werden, insbesondere wenn unter der Gabe von Levothyroxin der TSH-Wert supprimiert war.
Hyperthyreose: Risiko für Vorhofflimmern
Bei 3 – 8 % der über 65-Jährigen findet sich eine subklinische Hyperthyreose (TSH 0,1 – 0,4 mU/l, fT3 und fT4 normal). Die Prävalenz der manifesten Hyperthyreose (TSH 0,1 – 0,4 mU/l, fT3 und fT4 erhöht) wird in der Literatur mit 0,5 – 4 % angegeben (Girlich C et al. DMW 2014). Die Hauptursache für eine hyperthyreote Stoffwechsellage ist im Alter die Autonomie seltener die Autoimmunthyreopathie (z. B. Morbus Basedow). Weitere Ursachen können medikamentös-toxisch (z. B. Amiodaron, Lithium) sein.
Sowohl die subklinische als auch die manifeste Hyperthyreose erhöhen beim älteren Menschen das Risiko für ein Vorhofflimmern und führen zu einer Stimulation der Osteoklasten und damit zu einer Steigerung des Knochenabbaus. Deshalb ist die Bestimmung des TSH Wertes in der kardiologischen und osteologischen Diagnostik des älteren Patienten ein unumgänglicher Grundbaustein.
Regelmäßige Kontrolle angesagt
Da sowohl das Vorhofflimmern als auch die Osteoporose beim älteren Patienten fatale wenn nicht sogar letale Folgen haben können, wird verständlich warum bei der Schilddrüsenhormonsubstitution bei einer Hypothyreose im Alter Sorgfalt und regelmäßige Kontrolle zur Vermeidung einer Übertherapie sehr sinnvoll sind.
Jede manifeste Hyperthyreose bedarf auch im Alter der Therapie. Bis zum Erreichen einer Euthyreose empfiehlt sich die Behandlung mit Thiamazol und Carbimazol wobei letzteres als Pro-drug in vivo komplett in Thiamazol umgewandelt wird. Da beide Präparate 24 Stunden pharmakologisch wirksam sind ist eine einmal tägliche Gabe ausreichend. Propylthiouracil empfehlen wir weniger da es höher dosiert und auf Grund seiner kürzeren Halbwertzeit zweimal am Tage gegeben werden muss. Ein Vorteil ist allerdings dass es zusätzlich eine Hemmung der peripheren T4-Dejodierung zu T3 bewirkt.
Radiojodtherapie bevorzugt
Nach Erreichen der Euthyreose unter thyreostatischer Behandlung ist auch beim älteren Patienten die Option der definiten ablativen Therapie zu prüfen. Wir bevorzugen die Radiojodtherapie da sie schonend und wenig belastend insbesondere auch für gebrechliche ältere Patienten ist. Die Schilddrüsenchirurgie bleibt aber auch weiterhin in den Händen des erfahrenen Chirurgen die wichtige Alternative.
Bei der Entscheidung für eine medikamentöse Dauertherapie einer Hyperthyreose sollte man bedenken, dass eine der gefährlichsten Nebenwirkungen einer thyreostatischen Behandlung die Agranolocytose darstellt. Von dieser Blutkrankheit wissen wir dass sie im Alter häufiger auftritt und dass ihr Verlauf in diesem Lebensabschnitt schwerwiegender wenn nicht sogar letal sein kann. Regelmäßige Blutbildkontrollen sind deshalb bei einer thyreostatischen Behandlung des älteren Patienten unverzichtbar.
Im Gegensatz zur subklinischen Hypothyreose bedarf die subklinische Hyperthyreose ab einem Alter von 60 Jahren auch schon einer Therapie insbesondere wenn als Komorbidität eine koronare Herzerkrankung besteht. Dabei verzichten wir in der Regel auf die thyreostatische Behandlung und empfehlen eine baldige Radiojodtherapie. In ausgewählten Fällen empfehlen wir auch die chirurgische Variante der ablativen Behandlung insbesondere wenn in einer Struma nodosa ein sonographisch suspekter Knoten nachweisbar ist der auch bei einer cytologischen Untersuchung von Feinnadelbiopsat sich als suspekt gezeigt hat.
Schilddrüsenknoten
Schilddrüsenknoten liegen bei etwa 20 bis 30 % der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland vor. Die Prävalenz von Schilddrüsenknoten nimmt im Alter zu so dass bei den über 70-Jährigen bald jeder zweite einen oder mehrere Schilddrüsenknoten aufweist.
Bei über 95 Prozent auch der älteren Patienten die zur Knotenabklärung kommen liegt ein gutartiger Befund vor. Eine cytologische Klärung zum Ausschluss eine Schilddrüsenkarzinoms nehmen wir immer dann vor, wenn der Schilddrüsenknoten in der Szintigraphie als hypofunktionell oder kalt eingestuft wurde oder aber wenn er im Verlauf eine deutliche Wachstumstendenz zeigte. Mit der Schilddrüsensonographie gelingt keine sichere Zuordnung zur Dignität eines Schilddrüsenknotens.
Es gibt jedoch sonographische Kriterien die einen Schilddrüsenknoten auch beim älteren Patienten als suspekt erscheinen lassen und eine weitere cytologische Klärung nahelegen. Dazu zählen Solidität Echoarmut Mikrokalzifikationen unscharfe Begrenzung und intranoduläre Vaskularisation. Mit dem Zusammentreffen mehrerer dieser Kriterien wächst der Malignitätsverdacht.
Schilddrüsenkarzinom
Papilläre und follikuläre Schilddrüsenkarzinome nehmen im Alter zu und ihre Diagnose ergibt sich in der Regel im Zuge der Abklärung von unklaren Knoten der Schilddrüse. Eine gewisse Ausnahme stellt das medulläre Schilddrüsenkarzinom dar dessen Diagnose frühzeitig durch erhöhte Calcitonin Werte im Serum gelingt.
Das anaplastische Schilddrüsenkarzinom tritt am häufigsten in der 7. Lebensdekade auf und verläuft im Gegensatz zu den anderen Karzinomen sehr aggressiv und ist den üblichen onkologischen Bemühungen nur selten für einen überschaubaren Zeitraum zugänglich.
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2015; 27 (11) Seite 15-17