Wie behandelt man seine Patienten mit Hypertonie nun am besten? Antworten auf diese Frage hat Dr. Gerhard-W. Schmeisl für Sie parat. Wichtig: Starten Sie zunächst mit den Basismaßnahmen.

Die aktuell zur Therapie der Hypertonie primär eingesetzten Medikamente können in fünf Hauptklassen, die prinzipiell miteinander kombiniert werden können, eingeteilt werden. Nach den neuen Leitlinien kann eine medikamentöse Therapie auch schon bei "hochnormalem Blutdruck" (120-129/<80 mmHg) und gleichzeitig vorhandenem sehr hohem kardiovaskulärem Risiko eingeleitet werden.

Wann genau mit einer Therapie begonnen wird, hängt ebenfalls von Begleiterkrankungen ab. Wie bisher gilt aber auch, nicht gleich mit Medikamenten starten, wenn nicht zuvor Basismaßnahmen gegenüber bekannten Problemen ergriffen wurden:
  • Übergewicht/Adipositas
  • Bewegungsmangel
  • Übermäßiger Alkoholkonsum
  • Zu viel Kochsalz in der Nahrung
  • Umstellung der Ernährung auf mehr Vollkornprodukte, Gemüse, Obst, sowie weniger Konsum von Fett!

Grenzen der medikamentöse Monotherapie

Eine medikamentöse Monotherapie wird in den meisten Leitlinien nur noch bei Menschen mit Grad I Hypertonie (syst. <150 mmHg) und niedrigem kardiovaskulären Risiko empfehlen. Auch bei sehr allen Menschen – über 80 Jahre- ist dies angezeigt. In allen anderen Fällen sollte laut ESC/ESH-Leitlinien bereits zu Beginn mit einer 2-fach-Kombination (=duale Therapie") begonnen werden. Man erhofft sich daraus ein sicheres Erreichen der Zielblutdruckwerte.

Frühe strukturelle Gefäßveränderungen mit Umbau (Re-Modeling) der Gefäßwand und Zunahme von Bindegewebe sind ein wesentlicher pathologischer Faktor bei der Entstehung von Komplikationen wie Herzinfarkt und Apoplex. Diese Gefäßveränderungen als Ausdruck des frühen Alterns (Early Vascular Aging) entstehen häufig im Zusammenspiel von Bluthochdruck, Rauchen, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes.

Sie beginnen nicht selten bereits im frühen Jugendalter (R.Kreutz, Berlin) und begünstigen im Alter die Entwicklung und das Fortschreiten einer Demenz (F. Masuhr, Berlin). "Kein Organ ist so stark von der Hypertonie betroffen wie das Gehirn".

Möglichkeiten der medikamentösen Mehrfachtherapie

Inzwischen ist durch Studien belegt, dass ACE-Hemmer und AT-1-Blocker (= Sartane) bei der Blutdruckbehandlung nicht miteinander kombiniert werden sollten (→es kommt gehäuft zu Komplikationen!). Diese beiden Klassen können deshalb in einer Gruppe zusammengefasst werden (RAS-Hemmer = Hemmer des Renin-Angiotensin-Systems).

Letztlich bleiben 5 Substanzklassen übrig, die miteinander kombiniert werden sollten:
  • ACE-Hemmer
  • AT-1-Blocker
  • Betablocker
  • Calziumantagonisten
  • Diuretika

= ABCD-Substanzen/bzw. Gruppen

Prinzipiell können alle Antihypertensiva der 5 Hauptklassen miteinander kombiniert werden. Sinnvolle und/oder erprobte Kombinationen können als Fix-Kombination die Einnahme-Treue (Compliance) erhöhen:

2er-Kombinationen:

  • ACE-Hemmer und Diuretikum
  • AT-1-Blocker und Diuretikum
  • Beta-Blocker und Diuretikum

3er-Kombination:

  • AT-1-Blocker und Kalziumantagonist und Diuretikum:
  • z.B. Olmesartan und Amlodipin und Hydrochlorothiazid
  • oder Valsartan und Amlodipin und Hydrochlorothiazid

Reicht eine Dreier-Kombination nicht aus, sollten zusätzlich ein Betablocker oder Medikamente der 2. Wahl mit nachgewiesener Wirkung eingesetzt werden (z.B. Doxazosin, Spironolacton). Im Rahmen der Dreifach-Kombination muss man versuchen, die Substanz herauszufinden, die nicht so gut wirkt, um sie ggf. durch eine andere auszutauschen.

Da viele Hypertoniker auch weitere Erkrankungen haben und deshalb oft zusätzlich andere Medikamente einnehmen müssen, (z.B. Diabetesmedikamente, Medikamente gegen Asthma/COPD, Fettstoffwechselstörungen) muss deren Zusammenwirken bzw. "Nicht-Passen" immer berücksichtigt werden (z.B. auch bei Niereninsuffizienz) Das Nebenwirkungsprofil muss also oft ganz besonders von Anfang an beachtet werden.

Nicht-selektive Betablocker auf dem Rückzug

So werden Betablocker im Rahmen der Bluthochdrucktherapie praktisch nur noch bei begleitenden Herzerkrankungen eingesetzt – besonders bei der systolischen Herzinsuffizienz und der KHK (Koronare Herzkrankheit), in diesem Falle auch bei der diastolischen Herzinsuffizienz. Bevorzugt werden also ohne diese kardialen Begleiterkrankungen vor allem Medikamente der Gruppen A, C und D, die dann miteinander kombiniert werden können (Prof. R.Kreutz, Berlin).

Da die Ergebnisse der "renalen Denervation" nicht so gut wie erwartet ausfielen, wird diese Methode wohl zunächst nur noch im Rahmen kontrollierter Studien in den kommenden Jahren angewendet – die Sicherheit der zu behandelnden Patienten sollte im Vordergrund stehen. Auch die neue Methode der Baroreflexstimulation bei der Barorezeptoren der A.carotis elektrisch angeregt werden, muss noch in der Praxis erprobt werden.

Die Amerikaner, die Internationale Society of Hypertension und die Briten empfehlen die Beta-Blocker nicht mehr in der antihypertensiven "first-line" Therapie – dagegen führen sie die Europäischen Leitlinien noch in der initialen Monotherapie an.

Gefährlich
Die arterielle Hypertonie ist weltweit der wichtigste und gefährlichste kardiovaskuläre Risikofaktor. Durch eine effektive Blutdrucksenkung kann das Risiko für einen Schlaganfall um etwa 35 Prozent gesenkt werden (R. Schmieder, Erlangen).

Die ablehnende Haltung basiert auf einer Metaanalyse von Lindhol m (2005). Die Unterlegenheit der Beta-Blocker in den meist alten Interventionsstudien beruht möglicherweise auf den "negativen Wirkungen" des nicht-selektiven Betablockers Propanolol und dem (alten) selektiven Betablocker Atenolol wie: geringe Senkung des aortalen bzw. zentralen Blutdrucks; ungünstige vaskuläre Effekte (Erhöhung der Pulswellengeschwindigkeit und des Augmentations-Index); evtl. negative metabolische Effekte (Gewicht, Glucose –und Fettstoffwechsel).

Selektive Betablocker bei Herzerkrankungen

Betablocker sind allerdings eine sehr heterogene Substanzgruppe – moderne selektive Betablocker wie Nebivolol, die auch vasodilatierende Effekte haben, sollten heute bevorzugt werden (Beta-1-Blockade und aktiviert endotheliale NO-Systeme). Durch die periphere Gefäßwirkung kann es so deutlich zu einer Abnahme des peripheren Widerstandes der Gefäße kommen.

Darüber hinaus hat es keine negativen Wirkungen auf den Lipid-und Glukosestoffwechsel und fördert auch nicht eine Gewichtzunahme – die Sexualfunktionen wurden ebenfalls nicht negativ beeinflusst (M. Middecke/Cardiovasc 2005; 15/1).

Betablocker besonders bei Hypertonie und Herzrhythmusstörungen (z.B. Tachykardie, VES, VF) und/oder KHK (Außereuropäische Leitlinien (ISH/ASH/INC8); Europäische Leitlinien (ESH/ESC); Betablocker senken das Schlaganfallrisiko nicht in gleichem Maße wie andere Antihypertensiva/Metaanalyse der letzten Jahre).

Wie eine verbesserte Therapietreue erreicht wird

Therapietreue ist nach Ansicht von Hypertensiologen vor allem durch eine frühzeitige Fixkombination mit Reduzierung der Anzahl der Tabletten zu erreichen. Die neuen europäischen Leitlinien betonen die Bedeutung einer frühen Fix-Kombination von Medikamenten, um so die Compliance (Therapietreue) zu verbessern und den Therapieerfolg zu erhöhen.

Zur schlechten Compliance trägt natürlich auch die Tatsache der oft fehlenden spürbaren Beschwerden bei einer Hypertonie bei. Studien belegen die konsequente Medikamenteneinnahme bei Fixkombinationen (Zunahme um 21 Prozent, Metaanalyse Düsing). Eine schlechte Adhärenz zeigte ein deutlich erhöhtes Risiko bestimmter cardiovaskulärer Ereignisse – in einer nachträglichen Analyse der Ontarget-Studie war das Risiko bei den Therapie-Abbrechern um 38,5 Prozent höher.

In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass durch eine 2er-Kombination von Medikamenten (z.B. Coach-Studie) oder sogar einer 3er-Kombination (z.B. Trinity) die Effektivität zunahm – unter der 3fach-Kombination nochmals mehr als unter der 2fach-Kombination. So konnten deutlich mehr Patienten auch noch nach einem Jahr der Therapie im Zielbereich verbleiben.

Kontraindikationen von Hypetonie-Wirkstoffen

RAS (= Renin-Angiotensin-System)-Blocker und auch ACE-Hemmer dürfen in der Schwangerschaft nicht eingesetzt werden – bei geplanter Schwangerschaft sollten Frauen entsprechend aufgeklärt werden. RAS = AT-1-Blocker müssen bei Schwangeren sofort abgesetzt werden. Eine Kombination von ACE-Hemmern und RAS-Hemmern wird wegen der renalen Nebenwirkungen (Verschlechterung der Nierenfunktion, Hyperkaliämie) nicht empfohlen.

ACE-Hemmer werden vornehmlich renal eliminiert – AT-1-Blocker hauptsächlich hepatisch – ihren therapeutischen Effekt kann man meist sehr rasch an der effektiven Blutdrucksenkung bzw. auch an einem Rückgang der Proteinurie erkennen.

Die Internationalen Richtlinien der KDIGO (Kidney Disease Improving Global outcomes) empfiehlt beide Substanzklassen bei hypertonen diabetischen und nicht-diabetischen Menschen mit chronischer Nierenkrankheit und einer Mikroalbuminurie von >300 mg/d! Die Gabe von ACE-Hemmern oder AT-1-Blockern konnte in einer Studie bei einer GFR <26 ml/Min den weiteren Abfall der GFR sogar verhindern und die Proteinurie reduzieren – obsolet ist jedoch die Kombination von ACE-Hemmern und AT-1-Blockern.

Gerade in der Kombination mit Spironolacton droht eine oft gefährliche Hyperkaliämie! (Bei einer GFR <30ml/Min nicht mehr als 25mg/d Spironolacton geben).

In einer Stellungnahme der DHL (= Deutsche Hochdruckliga) zum Einsatz des Diuretikums HCT (= Hydrochlorothiazid) in der Hochdruck-Therapie trotz des Hinweises auf einen möglichen Zusammenhang beim Auftreten des weißen Hautkrebses (Basaliom/Spinaliom) und auch von Lungen-Ca (Engl. Studie) heißt es: Aus Sicht der Task Force der Deutschen Hochdruckliga überwiegt deutlich der Nutzen der Therapie. Ebenso bezüglich des Risikos für Lungen-Ca.

Sind Basaliome bereits vorhanden, sollte dieses Diuretikum nicht eingesetzt werden (eher z.B. Indapamid). Patienten mit HCT sollten auf einen ausreichenden Hautschutz vor Sonnen –und UV-Strahlung achten. Eine Alternative von ACE-Hemmern/AT-1-Blockern und HCT z.B. Amlodipin + RAS, das sich in der Accomplish-Studie sehr positiv darstellte (Senkung kardio-vaskulärer Komplikationen).

Chronotherapie

Mit Blick auf die 24-Stunden Wirkung einer blutdrucksenkenden Substanz ist die Berücksichtigung der Tageszeit, des Zeitpunktes der Messung des Blutdrucks und in diesem Zusammenhang auch der Einnahmezeitpunkt eines Medikamentes entscheidend.

Die Medikamenteneinnahme nach der Uhr (=Chronotherapie) hat eine Wiederbelebung erfahren – insbesondere mit der Entwicklung neuerer Antihypertensiva und deren unterschiedlicher Halbwertszeit, aber auch der Erkenntnis, dass der individuelle Blutdruckrhythmus von Patienten bei der Therapie sinnvollerweise berücksichtigt werden muss.

Die Erhaltung bzw. die Wiederherstellung eines Blutdruckrhythmus mit dauerhafter Blutdrucksenkung ist ein wesentliches Ziel jeder Blutdrucktherapie. Bei Betrachtung des zirkadianen Blutdruckrhythmus unterscheidet man mehrere normale, aber auch pathologische Formen, die bei der medikamentösen Therapie berücksichtigt werden müssen.

Nephroprotektion = kardiovaskuläre Risikoreduktion

Die Remission einer Nephropathie bei Typ-2-Diabetes ist unter einer multifaktoriellen Therapie grundsätzlich möglich. In der STENO-2-Studie bedeutete dies neben einer intensivierten Diabetestherapie (HbA1c <6,5 Prozent) die optimale Blutdruckeinstellung mittels ACE-Hemmern (RR <130/70mmHg), der zusätzlichen Thrombozyten-Aggregationshemmung mittels ASS.

Laut einer australischen Studie an 587 Patienten mit Mikroalbuminurie konnte durch einen ähnlichen multifaktoriellen Ansatz bei 35,8 Prozent der Betroffenen (RR <130mmHG) eine Remission bis hin zur Normo-Albuminurie erreicht werden.

Nach den heutigen Vorstellungen ist die diabetische Nephropathie nicht nur durch die chronische Hyperglykämie bedingt, sondern Begleiterkrankungen wie insbesondere die Hypertonie sind entscheidend. Eine multimodale Therapie, die neben ACE-Hemmer auch Statine und Thrombozytenaggregationshemmer umfasst ist obligatorisch.

Durch die kombinierte Therapie mit Renin-Angiotensin-Aldosteron-Hemmern und im Rahmen der Diabetestherapie auch der Einsatz von SGLT-2-Hemmern zur Senkung der glomerulären Filtrationsdrucks, kann so erstmals insbesondere auch das kardio-vaskuläre Risiko deutlich gesenkt werden.

Invasive Verfahren

Invasive Verfahren wie die renale Denervation, Carotiskörpermodulation, Baroreflexstimulation mittels Stent oder Schrittmacher etc. werden aktuell nicht für die Routine-Behandlung der Hypertonie empfohlen (O.Vonend/Wiesbaden 2019).

CAFE-Studie
Betablocker senken als einziges Anti-Hypertonikum nicht ausreichend den zentralen Blutdruck, jedoch deutliche Senkung des peripheren Blutdrucks (→"pseudo-antihypertensive Wirkung") der Beta-Blocker!)

Merke: Beta-Blocker sind nicht mehr Antihypertensiva der 1. Wahl! Bei unkomplizierter Hypertonie deshalb auf Betablocker verzichten (gilt nicht für Carvedilol/Nebivolol.

Der Hypertonus ist der prävalenteste Risikofaktor weltweit und einer der gefährlichsten Begleiterkrankungen von Menschen mit Typ-2-Diabetes. Menschen mit und ohne Diabetes sollten Blutdruckwerte systolisch <130 mmHg – jedoch nicht niedriger als 120mmHg haben. Allgemeinmaßnahmen wie Gewichtsreduktion, Kochsalzrestriktion, Nichtrauchen und natürlich eine Blutzuckeroptimierung stehen weiterhin am Anfang. Um dies aber rechtzeitig tun zu können, muss man den Blutdruck zunächst messen!



Autor: Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist/Angiologie/Diabetologie/Sozialmedizin/Rehabilitationswesen
Lehrbeauftragter der Universität Würzburg
Chefarzt Deegenbergklinik, Burgstraße 21, 97688 Bad Kissingen
Tel: 0971/ 821-8241

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2019; 31 (9) Seite 18-21