Die Ergebnisse der SPRINT-Studie sind komplett in die amerikanischen Leitlinien übernommen worden; zumindest was die Bluthochdrucktherapie angeht. In Europa hat man sich dazu entschlossen, bei den Empfehlungen etwas abzuweichen.

Die Ergebnisse der SPRINT-Studie sind voll in die Leitlinien der Amerikaner bezüglich der Bluthochdruck-Therapie eingeflossen (RR>130/80 mmHg= Grad I der Hypertonie). Generell haben, wie schon beschrieben, die Europäer diese Leitlinie nicht direkt übernommen, allerdings empfehlen auch diese Werte unter 130 mmHg, jedoch nicht unter 120 mmHg (Korridor).

Der Grund dafür ist, dass es bei niedrigeren Werten zu einer Zunahme von kardiovaskulären Ereignissen kam (J-Kurve-Phänomen) (Ontarget-/Transcend-Studien) – ähnliches gilt für die Unterschreitung des diastolischen Wertes unter 70 mmHg. Die positiven Daten aus der Sprint-Studie (systolic blood pressure Intervention trial) können allerdings nicht so einfach übernommen werden, da keine Menschen mit Diabetes eingeschlossen waren.

Das Studiendesign war abgesehen von den kritisierten Messmethoden allerdings ähnlich der Accord-Studie – in diese waren Patienten mit Diabetes eingeschlossen und systolische Blutdruckwerte von <140 mmHg mit Werten <120 mmHg verglichen worden. Die Senkung des systolischen Blutdrucks unter 120 mmHg hatte zwar in der Progress-Studie, in der Invest-Studie und in der Ontarget-Studie zu weniger Schlaganfällen, jedoch zu mehr Herzinfarkten geführt.

Aufgrund der vorliegenden Daten von Metaanalysen ist ein Blutdruck bei Menschen mit Diabetes von systolisch 120-130 mmHg und diastolisch von70-80 mmHg zu präferieren!

Verlauf der Hypertonie bei Diabetikern

Etwa 50 Prozent der Menschen mit Typ 2 Diabetes entwickeln einen Bluthochdruck – oft parallel zu einer diabetischen Nephropathie. In einer internationalen Studie (Leader 4/2016) waren 90 Prozent der Diabetiker auch Hypertoniker und lediglich bei 51 Prozent lag trotz Therapie der Blutdruck nicht unter 140/85 mmHg. Nur etwa 20 Prozent erreichten den Zielblutdruck von <130/80 mmHg.

Diabetiker haben oft eine isolierte systolische Hypertonie - - Ausdruck einer zunehmenden Gefäßsteifigkeit (=Gefäßschäden) und einem damit oft einhergehenden erhöhten cardialen Risiko (Middeke M.2017)

Die Bestimmung der Pulswellengeschwindigkeit als Biomarker für die Gefäßsteifigkeit sowie des zentralen Blutdrucks kann bei der Therapie helfen, eine bessere Einstellung des Blutdrucks nachzuweisen.

Diabetiker haben zudem häufiger eine gestörte circadiane Blutdruckthythmik mit einer oft unzureichenden Nachtabsenkung des Blutdrucks – manchmal bei völlig normalen Tageswerten (="maskierte, nächtliche Hypertonie"). Deshalb sind auch ambulante 24-Stunden Blutdruckmessungen bei unklaren klinischen Befunden bei Diabetikern gelegentlich sinnvoll!

Rhythmischer Verlauf des Blutdrucks

Normalerweise sinkt der Blutdruck eines Menschen in der Nacht um etwa 10-20 Prozent unter den Tageswert (= Normal dipper, aus dem englischen to dip =absenken), Menschen bei denen der Blutdruck nachts um weniger als 10 Prozent absinkt, bezeichnet man demnach als "Non dipper", Menschen bei denen nachts der Blutdruck sogar ansteigt als "Inverted dipper (=umgekehrte Reaktion des Blutdrucks!).

Diese Situation stellt, wenn sie nicht z.B. durch nächtliche Arbeit oder andere Aktionen bedingt ist, einen starken Risikofaktor für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen dar. Aktuelle Studien belegen, dass nur der nächtliche Blutdruck im Verhältnis zum Tagesblutdruck, und nicht der Tagesblutdruck isoliert, eine schlechte Prognose hinsichtlich Herz-Kreislauferkrankungen (Non dipper, Inverted dipper) signalisiert.

Andererseits sind aber auch Menschen mit extrem niedrigem Blutdruck während der Nacht (=Extreme dipper) im Schlaf mit einem höheren Herz-Kreislauf-Risiko behaftet. Relativ aktuell gibt es darüber hinaus auch Hinweise dafür, dass ein extremer Blutdruckanstieg in den frühen Morgenstunden (>55 mmHg = "Morning Surge") ein besonderes Risiko z.B. für den Herzinfarkt darstellt. Andererseits ist das Risiko 3-mal häufiger, dass Menschen die wegen ihrer Hypertonie mit Diuretika bzw. Betablockern behandelt werden, einen Diabetes entwickeln (Dederer-Herz 2019).

Neben der Hyperglykämie müssen wegen der Endorganschäden (Infarkt, Apoplex, Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz) besondere, auch Begleiterkrankungen wie eben der Hypertonie, aber auch die Dyslipidämie und die Herzinsuffizienz behandelt werden.

Datenlage ist nach wie vor nicht eindeutig

Die Datenlage zur Bluthochdrucktherapie bei Menschen mit Diabetes ist nach wie vor nicht eindeutig – in den zuvor schon angesprochenen Studien konnte keine Reduktion cardio-vaskulärer Ereignisse und auch der Sterblichkeit erreicht werden – auch nicht bezüglich der diabetischen Retinopathie und Neuropathie (s. Middeke M, Diabetes 2018). Niedrigere RR-Werte <120 mmHg hatten in der Accord-Studie eher mehr Nachteile, ein RR-Wert <130 mmHg in einer schwedischen Studie (Cederholm J. 2012) zeigte ebenfalls keinen Benefit.

Blutdruckwerte <140 mmHg scheinen generell einen leichten Vorteil bezüglich kardiovaskulärer Ereignisse zu haben (Accord bei Diabetikern). Eine weitere Senkung scheint jedoch nur bezüglich Senkung der Apoplex-Rate und der Albuminurie von Vorteil (Metaanalyse von Emdin et al. 2015).

In der HOT-Studie konnte bei Diabetikern mit einem diastolischen RR-Wert <80 mmHg (im Vergleich zu der 90 mmHg-Gruppe) eine cardio-vaskuläre Risiko-Reduktion von 51 Prozent erreicht werden. Nach den aktuellen amerikanischen Leitlinien (Sprint-Studie) sollte auch bei Diabetikern der Blutdruck unter 130/80 mmHg eingestellt werden.

Schwerpunkt Hypertonie


Autor: Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist/Angiologie/Diabetologie/Sozialmedizin/Rehabilitationswesen
Lehrbeauftragter der Universität Würzburg
Chefarzt Deegenbergklinik, Burgstraße 21, 97688 Bad Kissingen
Tel: 0971/ 821-8241

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2019; 31 (9) Seite 14-15