Die Erforschung des Mikrobioms ist in den letzten Jahren eines der neuen Themen, die sämtliche Medien, Vorträge und Seminare beschäftigt. Oft erscheint das Mikrobiom der Schlüssel und die Lösung zu allen offenen Fragen zu sein. Doch ist es das tatsächlich auch – eine Bestandsaufnahme.

Unter Mikrobiom versteht man die Genetik der Mikroorganismen im Darm. Durch neue Sequenzierungsmethoden ist es heute möglich in relativ kurzer Zeit herauszufinden, welche Arten davon in bestimmter Anzahl im Darm vorkommen. Forscher haben herausgefunden, dass gesunde Menschen über eine große Artenvielfalt – sprich eine große Biodiversität verfügen. Sie haben auch gesehen, dass die Zusammensetzung bei gesunden Menschen aus anderen Keimen besteht, als bei Menschen mit einer Erkrankung.

Was nicht gesichert ist, ob die pathogenen Keime mit einer geringen Artenvielfalt krank machen oder ob in einem kranken Organismus, die apathogenen Keime in einer hohen Biodiversität nicht überleben können. Die klassische Frage nach der Henne oder dem Ei ist zum derzeitigen Zeitpunkt nicht vollständig geklärt. Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes findet sich dabei, neben einer reduzierten Vielfalt an Erregern, insbesondere ein Rückgang von Bakterien, die kurzkettige Fettsäuren wie Buttersäure oder Propionsäure bilden.

Kurzkettige Fettsäuren wie beispielsweise Butyrat spielen eine große Rolle in der Regulation von Entzündungsprozessen. Bei Übergewicht sind weniger Darmbakterien vom Stamm Bacteroidetes und dafür mehr Firmicutes festzustellen. Letztere sollen eine Rolle bei der Energieausnutzung von Lebensmitteln und der Entstehung von Übergewicht spielen.

Ballaststoffe – nach wie vor eine gute Wahl

Fakt ist, dass sich eine ballaststoffreiche Lebensmittelauswahl positiv auf die Insulinresistenz bei Typ-2-Diabetes auswirkt. Um eine Insulinresistenz erfolgreich zu behandeln, werden beispielsweise die klassischen Hafertage heute wieder verstärkt eingesetzt. Zahlreiche Studien belegen den Benefit der Ballaststoffe in einer hohen Evidenz. Welche genauen Wirkmechanismen jedoch dafür verantwortlich sind, ist zum Teil nicht eindeutig geklärt. Hier kommt nun die Mikrobiomforschung ins Spiel.

Bereits im Jahre 1908 ging der Nobelpreis an Ilja Iljitsch Metschnikow (1845-1916) und seiner Theorie: "Die lange Lebenserwartung einiger Ethnien ist die Folge einer Balance zwischen pathogenen und nonpathogenen Darmbakterien. Durch Konsumtion fermentierter Milch mit darin lebenden Mikroorganismen." In jüngeren Studien konnte gezeigt werden, dass ein höherer Gehalt an Bacteroidetes in Abhängigkeit mit einem Gewichtsverlust steht. So hat demnach der Kiloverlust eine positive Wirkung auf besagte Bakterienstämme.

Andere Studien befassen sich mit Inhaltsstoffen der Lebensmittel, welche Einfluss auf das Mikrobiom haben könnten. Solche werden häufig auch Präbiotika genannt. Präbiotika sind im klassischen Sinn Nahrungsmittel oder deren Inhaltsstoffe, die sich günstig auf die Darmbakterien auswirken. Sie gelangen unverdaut in die tieferen Darmabschnitte und stehen den Bakterien dort als Nahrung zur Verfügung. Durch das Essen bestimmter Lebensmittel werden dementsprechend Bakterienstämme in ihrer Vielfalt und Anzahl beeinflusst.

Chicorée, Lauch und Zwiebeln

Als besonders wirksame Präbiotika gelten Oligosaccharide wie Inulin, Fructo-Oligosaccharide (FOS) und Galakto-Oligosaccharide (GOS). Inulin, FOS und GOS sind natürliche Präbiotika, die beispielsweise in Chicorée, Artischocken, Lauch, Knoblauch, Zwiebeln, Weizen, Roggen, Bananen, Topinambur, Hafer, Gerste, Sojabohnen, Mais und Schwarzwurzel vorkommen. GOS finden sich in Anteilen der Muttermilch.

Präbiotika erhöhen die Konzentration an kurzkettigen Fettsäuren wie Butyrat, Propionat und Acetat. Diese stimulieren selektiv das Wachstum von Bifidobakterien und Lactobazillen, die als apathogene Keime gelten. Sie vermehren weiterhin die intestinale Biomasse und die fäkale Energie, reduzieren das Wachstum von Clostridien, das Eindringen von pathologischen Keimen in die Mukosa und erhöhen die Calcium-Resorption.

Vor allem die Butyrat produzierenden Bakterien fehlen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes. Diese kurzkettige Fettsäure stellt zu 80 Prozent die Energie für das Dickdarmepithel bereit. Die Buttersäure ist außerdem für die Stimulation von Epithelwachstum und -differenzierung, sowie zur Stimulation der Wasser- und Natriumchlorid-Rückresorption verantwortlich. Sie wirkt antiproliferativ, antientzündlich (durch Hemmung von NF-kB, Stimulation von Zytokin IL10) und reduziert den luminalen pH-Wert durch Hemmung pathogener Keime.

Die Rolle von Zuckeraustauschstoffen wie Xylit

Folgende Ballaststoffe können als Präbiotika wirken: Flohsamenschalen, Leinsamen, Akazienfasern, Weizenkleie, resistente Stärke, Fructo-/Galactooligosaccharide, Amylopektin, Citruspektin, Vollkornhirse, Buchweizen und Erdmandeln. Aus der Gruppe der sekundären Pflanzenstoffe können als Präbiotika Epicatechin/Catechin (aus grünem Tee, besonders Matcha), Procyanidine (rote Trauben), Flavonole (Kakao) sowie Tannine (Tee) wirken.

Einige Studien haben gezeigt, dass verschiedene Zuckerausstauschstoffe, allen voran Xylit, einen positiven Einfluss auf das Mikrobiom haben können. Weitere Studien sind jedoch erforderlich, um die Evidenz zu bestätigen. Es gibt jedoch auch Nährstoffe, die negative Einflüsse auf das Mikrobiom haben. Dazu zählt beispielsweise ein sehr hoher Eiweißkonsum, sehr hohe Fettmengen, sowie raffinierte Kohlenhydrate wie Zucker und Stärke. Süßstoffe sollen nach den Ergebnissen einiger Studien ebenfalls negative Auswirkungen auf das Mikrobiom haben. Hier bedarf es allerdings weiterer Untersuchungen.

Probiotika und Mikrobiom

Bei Probiotika, also Bakterien, die gegessen werden und sich im Darm ansiedeln sollen, ist die Studienlage sehr unterschiedlich. Probiotika können dabei in Lebensmitteln zugesetzt werden. Bekanntes Beispiel sind probiotische Milchprodukte wie Joghurts und Drinks sowie Nahrungsergänzungspräparate. Meistens sind sogenannte Synbiotika im Handel, die sowohl probiotische als auch präbiotische Keime enthalten.

Einige Studien zeigen, dass durch die Einnahme von Probiotika eine gestörte Darmmukosabarriere wiederhergestellt werden kann. Ferner die mikrobielle Translokation (z.B. von Bacterioides, pathogener Escherichia Coli, Klebsiellen, Enterobakterien) verhindert, Toxine und Eradikation mikrobieller Pathogene eliminiert werden sollen. Des Weiteren soll eine vorteilhafte Modulation des intestinalen Immunsystems (Stimulation des sekretorischen Immunglobulin A) durch Probiotika bewirkt werden.

Sie sollen die Bildung von Bakteriozinen (Hemmung von pathogenen, anaeroben Keimen) und eine Senkung des intestinalen pH-Wertes durch Stimulation von Milchsäurebildern, veranlassen. Forscher wollen durch den Probiotika-Einsatz folgende positive Effekte gesehen haben: ein niedriger Body-Mass-Index (BMI), reduzierte Adipogenese sowie adipöse Gewebeinflammation, herabgesetzte metabolische Endotoxinämie sowie eine verminderte Insulinresistenz. Gleichzeitig eine Erhaltung der physiologischen Darmbarriere sowie antiinflammatorische Wirkungen.

Eine Metaanalyse aus der Health Professional follow up-Study, Nurses´ Health Study (1980-210 und II 1991-2009, adjustiert nach Alter, BMI, Lifestyle, ernährungsabhängigen Risikofaktoren) kam zum Ergebnis, dass es keine Zusammenhänge mit Molkereiprodukten, jedoch eine inverse positive Korrelation mit Joghurt gab. Der Joghurtkonsum war signifikant assoziiert mit einem geringerem Typ-2-Risiko (OR 0,82). Typ-2-Diabetiker zeigen erhöhte Liposaccharidspiegel (LPS).

Durch Behandlung mit Polymyxin B (spezielle Antibiotika gegen gramnegative Keime), zeigten sich eine Reduzierung des Liposaccharidspiegel sowie der Leberverfettung. Tierexperimentelle Studien an Mäusen zeigten im Institute of Science in Israel, dass sich durch die gezielte Gabe von Probiotika, nach Antibiotikatherapie, Darmkeime schlechter regenerierten. Die Forscher führten daraufhin noch eine kleine klinische Probiotika-Studie mit Probanden durch.

Sie stellten fest, dass es zwei Gruppen von Menschen gibt. Bei den sogenannten "Resisters", überlebten die Darmkulturen nicht. Bei den "Persisters" überlebten sie. Sie schließen daraus, dass nicht für jeden Menschen der Einsatz von Probiotika sinnvoll ist. Mehr noch: im schlimmsten Fall könnten sie bei dem einen oder anderen sogar eher schädlich wirken.

Eine genetische Veranlagung gibt demnach vor, welche Arten vorherrschen, ob beziehungsweise welche Arten durch die Aufnahme überleben können. Dazu gibt es ausreichend Evidenz, dass sich eine ballaststoffreiche Ernährung positiv auf die Erkrankung des Typ-2-Diabetes auswirkt. Ernährungsempfehlungen sollten zu einer pflanzenhaltigen, ballaststoffreichen Lebensmittelauswahl raten; diese am besten in Kombination mit einer Fleisch- und Wurstreduktion, denn beides hemmt die bakterielle Artenvielfalt im Darm.

Schwerpunkt: „Intestinales Mikrobiom“


Autorin: Dr. Astrid Tombek, Dipl. oec. troph. / Diabetesberaterin DDG
Diabetes-Klinik Bad Mergentheim
Bereichsleitung Diabetes- und Ernährungsberatung
Theodor-Klotzbücher-Str. 12
97980 Bad Mergentheim

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2019; 31 (1/2) Seite 21-23