Gemeinsam mit der JDRF empfehlen führende Diabetesexperten, die bisherige Klassifikation und den Diagnosezeitpunkt von Typ-1-Diabetes zu verändern. Mit einem neuen Drei-Stadien-Modell soll sich Typ-1-Diabetes frühzeitig diagnostizieren lassen.

Gemeinsam mit der JDRF empfehlen führende Diabetesexperten, die bisherige Klassifikation und den Diagnosezeitpunkt von Typ-1-Diabetes zu verändern: Die Autoimmunerkrankung beginnt nach neueren Erkenntnissen lange, bevor sie sich in Symptomen äußert. Deshalb hat die Forschergruppe um Prof. Anette-Gabriele Ziegler als deutsche Beteiligte zusammen mit internationalen Wissenschaftlern in der neuesten Ausgabe von Diabetes Care ein Drei-Stadien-Modell skizziert, mit dem sich Typ-1-Diabetes frühzeitig diagnostizieren lässt. Betroffene können mit Hilfe von Autoantikörper-Tests erfahren, ob sie an einem Prädiabetes erkrankt sind und möglicherweise an einer Präventionsstudie teilnehmen können.

Frühe Phasen der Erkrankung werden besser verstanden

„Wir wissen, dass Typ-1-Diabetes lange vor dem Zeitpunkt entsteht, wenn die Zuführung von Insulin unabdingbar wird. Die beste Zeit, um das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten, dürfte die Zeit vor dem Verlust der Insulin produzierenden Betazellen im Pankreas sein“, sagt Richard Insel, M. D., Wissenschaftlicher Direktor und Studienleiter der JDRF. „Ein Jahrzehnt an Forschungen und Screenings von Risikopersonen für Typ 1 Diabetes haben dazu beigetragen, dass Wissenschaftler die Entstehung und frühen Stadien der Erkrankung besser verstehen konnten, und die es uns erlaubten, dieses neue diagnostische Drei-Phasen-Modell zu entwickeln. Wir glauben, dass dieser neue Ansatz uns dabei helfen wird, das Design klinischer Studien zur Prävention zu optimieren. Dies könnte die Entwicklung von Medikamenten und letztendlich die Prävention von Typ 1 Diabetes beschleunigen.“

In der klinischen Praxis wird Typ-1-Diabetes heute in der Regel erst diagnostiziert, wenn sich Symptome wie übermäßiger Durst (Polydipsie), häufiges Wasserlassen (Polyurie), starke Gewichtsabnahme oder Müdigkeit bemerkbar machen. Bei jedem dritten Krankheitsfall wird die Diagnose sogar erst gestellt, wenn der Patient als Notfall mit einer Ketoazidose (Stoffwechselentgleisung) ins Krankenhaus eingeliefert wird. Das müsste nicht sein: Jetzt haben die internationalen Wissenschaftler in einer Übersichtsarbeit drei Stadien des Typ-1-Diabetes klassifiziert, beginnend mit zwei Vorstadien, in denen sich die Autoimmunerkrankung bereits Jahre – oder Monate – vor Auftreten der ersten Symptome diagnostizieren lässt.

Wissenschaftler haben drei Stadien des Typ-1-Diabetes klassifiziert
  • Stadium 1

    Im 1. Vorstadium sind zwei oder mehr Inselautoantikörper nachweisbar, welche für Typ-1-Diabetes spezifisch sind. Meist beginnt der Autoimmunprozess mit Autoantikörpern gegen das Insulin (IAA). In dieser Prädiabetes-Phase liegen die Blutzuckerwerte im Normbereich. Treten die ersten Autoantikörper bereits in jungem Lebensalter auf, liegen mehrere von ihnen vor oder kommen sie in einer höheren Konzentration vor ist mit einem schnellen Fortschreiten des Autoimmunprozesses hin zum Typ-1-Diabetes zu rechnen.

  • Stadium 2

    Der Autoimmunprozess ist auf Grund der zunehmenden Zerstörung der insulinbildenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse mittlerweile so weit fortgeschritten, dass sich neben den Inselautoantikörpern eine Glukoseintoleranz oder eine Dysglykämie (Störung des Glukosestoffwechsels) messen lassen.

  • Stadium 3

    Die Erkrankung bricht aus: Typische klinische Symptome treten auf.

Die Einteilung in diese Stadien befürworten die großen Diabetesforschungs-Institutionen: die American Association of Clinical Endocrinologists sowie die American Diabetes Association, The Endocrine Society, der Helmsley Charitable Trust, die International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes und die JDRF (früher bekannt unter dem Namen Juvenile Diabetes Research Foundation).

85 Prozent der Erkrankten haben keine Verwandten mit Typ 1 Diabetes

Enge Verwandte von Personen mit Typ-1-Diabetes haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko: Die Forschung kennt rund 50 Genvarianten, die einen Typ-1-Diabetes begünstigen. Allerdings haben 85 Prozent von 150.000 Individuen, bei denen ein Typ-1-Diabetes frisch diagnostiziert wurde, keinen Diabetesfall in der Verwandtschaft. Denn auch verschiedene Umweltfaktoren fördern den Krankheitsausbruch. Im Verdacht stehen eine Geburt per Kaiserschnitt, verschiedene Virusinfektionen, die Zusammensetzung der Darmflora und eine Antibiotika-Einnahme.

Was nützt das Wissen um einen symptomfreien Prädiabetes?

Studienteilnehmer, bei denen vorab eine Vorstufe des Typ-1-Diabetes nachgewiesen wurde und die unter medizinischer Kontrolle standen, hatten nachweislich bei Auftreten der ersten Symptome seltener Stoffwechselentgleisungen und wiesen zum Diagnosezeitpunkt einen besseren Blutzuckerwert auf. Der Diabetes ließ sich besser einstellen, weshalb sie seltener oder kürzer im Krankenhaus betreut werden mussten als diejenigen Patienten, bei denen die Erkrankung vollkommen überraschend eintrat.

Da die Insulinbehandlung bei den Studienteilnehmern frühzeitig aufgenommen werden konnte, mussten in den ersten zwölf Monaten der Therapie geringere Mengen an Insulin verabreicht werden. „Diese Vorteile werden in Zukunft noch um präventive Behandlungsoptionen ergänzt werden“, so Prof. Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München. Ihre Forschergruppe prüft derzeit in mehreren Studien die Effektivität einer Schutzimpfung mit Insulin.

Die neue Klassifizierung nach drei Stadien des Typ-1-Diabetes erleichtert es, Personen mit einem Prä-Typ-1-Diabetes frühzeitig zu bestimmen, die am meisten von einer Schutzimpfung profitieren würden. Ihnen soll die Teilnahme an einer Präventionsstudie offenstehen.

Weitere Informationen:

Institut für Diabetesforschung
Helmholtz Zentrum München
Univ.-Prof. Dr. med. Anette-Gabriele Ziegler
Tel. 0800-828 48 68 (kostenfrei)
E-Mail: prevent.diabetes@lrz.uni-muenchen.de

Quelle: Mitteilung der Forschergruppe Diabetes der Technischen Universität München