In den vergangenen Jahren hat die Nutzung von modernen Medizinprodukten sprunghaft zugenommen. Viele Diabetolog:innen glauben, dass sich dies in naher Zukunft noch weiter verstärken wird.

Ein großer Vorteil des dt-Reports besteht darin, dass durch den Vergleich der verschiedenen Erhebungen dargestellt werden kann, wie häufig moderne Medizinprodukte über die Zeit eingesetzt werden. Die Angaben beruhen auf den Aussagen der Diabetolog:innen, die dies durch ihre tägliche klinische Tätigkeit besonders gut einschätzen können.

CGM ist mittlerweile Standard bei Typ-1-Diabetes

Im Vergleich zu den letzten Jahren ist 2023 die Anwendung von CGM bei Menschen mit Typ-1-Diabetes noch einmal sprunghaft angestiegen. Insgesamt nutzen damit 84% aller Menschen mit Typ-1-Diabetes CGM. Auch die Zahl der Insulinpumpenträger hat in den letzten Jahren zugenommen, wenn auch nicht so fulminant wie bei CGM. Erstmals haben wir bei der Frage nach der Insulinpumpentherapie unterschieden, ob die Pumpe mit oder ohne Algorithmus eingesetzt wird. Demnach nutzt fast die Hälfte aller Menschen mit Typ-1-Diabetes (48%) eine Insulinpumpe.

Besonders interessant sind die Zahlen zu den AID-Systemen: 2023 verwendet fast jeder 4. Mensch mit Typ-1-Diabetes ein AID-System (23%). Trotz kommerziell verfügbarer Systeme vertrauen immerhin 2% auf ein AID-System Marke Eigenbau (Do-it-yourself (DIY)-System). Pro Praxis verwenden nach Angaben der Diabetologen:innen durchschnittlich 39 Personen mit Typ-1-Diabetes ein AID-System der Firma Metronic (Minimed 670G, 770G, 780G), 21 der Firma Tandem (tslim X2), 10 der Firma Insulet (Omnipod 5) und 9 der Firma Roche Diabetes Care (Accu Check Insight/DBLG1).

Smart-Pens haben sich dagegen noch nicht durchgesetzt: Nur 5% aller Menschen mit Typ-1-Diabetes besitzen einen Smart Pen. Eine Auswertung entsprechend der Größe der Einrichtung zeigt überraschenderweise, dass sich der relative Anteil der Menschen mit Typ-1-Diabetes mit neuen Technologien nicht zwischen kleinen (< 50 Personen mit Typ-1-Diabetes) und große Praxen (> 500) unterscheidet. Mit anderen Worten: Moderne Technologien sind mittlerweile in allen Praxen Standard in der Therapie des Typ-1-Diabetes (siehe Abbildung 1).

© dt-Report 2024 | Abbildung 1: Anzahl der Menschen mit Typ-1-Diabetes mit modernen Medizinprodukten: pro Einrichtung sowie prozentual.

Deutlich weniger Technologien bei Typ-2-Diabetes

Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ist dies noch nicht der Fall. Zwar stieg der Anteil der CGM-Nutzer bis 2023 weiter an – insgesamt nutzen bereits ca. 22% aller Menschen mit Typ-2-Diabetes in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis ein CGM. Die Gesamtzahl aller CGM-Nutzer bei Typ-2-Diabetes dürfte jedoch deutlich niedriger liegen, da die meisten Menschen mit Typ-2-Diabetes nicht in eine diabetologische Schwerpunktpraxis überwiesen werden. Andere Technologien wie Smart Pens, die besonders für Menschen mit Typ-2-Diabetes geeignet wären, die Insulin spritzen, werden dagegen kaum genutzt (siehe Abbildung 2).

© dt-Report 2024 | Abbildung 2: Anzahl der Menschen mit Typ-2-Diabetes mit modernen Technologien: Pro Einrichtung sowie prozentual.

CGM auch für Typ-2-Diabetes?

Bei der Frage nach der medizinischen Indikation - unabhängig von der Erstattungssituation - waren die befragten Diabetolog:innen bereits in den letzten Jahren einhellig der Meinung, dass CGM für fast alle Menschen mit Typ-1-Diabetes eine wichtige Therapieoption darstellt. In Übereinstimmung mit der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sehen sie auch für die meisten Menschen mit Typ-2-Diabetes und intensivierter Insulintherapie eine Indikation für CGM. In den letzten Jahren hat sich zudem die Erkenntnis durchgesetzt, dass CGM auch für 40 bis 50 Prozent der Menschen mit Typ-2-Diabetes mit BOT oder ohne Insulintherapie sinnvoll sein kann (siehe Abbildung 3).

© dt-Report 2024 | Abbildung 3: Indikation für CGM-Systeme für verschiedene Therapieformen.

AID-Systeme für alle Menschen mit Typ-1-Diabetes?

Für die überwiegende Mehrzahl der Menschen mit Typ-1-Diabetes halten die Diabetolog:innen ein AID-System für die richtige Therapieform. Aber auch die Hälfte der Menschen mit Typ-2-Diabetes und ICT könnte ihrer Meinung nach von einem AID-System profitieren. Einige der Befragten könnten sich auch ein einfaches AID-System für Menschen mit Typ-2-Diabetes und einer ICT vorstellen (siehe Abbildung 4).

© dt-Report 2024 | Abbildung 4: Indikation für AID-Systeme für verschiedene Therapieformen.

Wichtigste Themenbereiche der Digitalisierung

Bedeutsamkeit neuer Technologien und digitaler Möglichkeiten
Ärzte und Menschen mit Diabetes sind sich einig: AID-Systeme stellen die wichtigste Innovation des Diabetes dar. Aber es gibt auch bedeutsamste Unterschiede in der Einschätzung.
Für Diabetologen sind AID-Systeme (CGM, Insulinpumpen-Algorithmen) in den letzten Jahren unangefochten die bedeutsamste digitale Innovation. Dagegen nimmt überraschenderweise die Bedeutung von Smart-Pens, Online-Videosprechstunde und -schulung eher ab (siehe Abbildung 4).

Bedeutsamste Themenfelder der Digitaliserung bei Diabetes
Auch für Menschen mit Typ-1-Diabetes - insbesondere für Eltern von Kindern mit Typ-1-Diabetes - sind AID-Systeme die bedeutendste Entwicklung, vor allem die Kompatibilität moderner Technologien mit anderen Systemen ist für sie wichtig. Von künstlicher Intelligenz versprechen sie sich zudem eine noch bessere personalisierte Therapie. Ganz anders ist die Prioritätensetzung bei Menschen mit Typ-2-Diabetes. Für sie sind Softwarelösungen zur Analyse von Glukosedaten und Diabetes-Apps besonders bedeutsam. Auch digitale Lösungen zur Unterstützung von Therapieentscheidungen stehen bei ihnen hoch im Kurs (siehe Abbildung 5).

© dt-Report 2024 | Abbildung 4: Bedeutung neuer Technologien, digitaler Anwendungen.

© dt-Report 2024 | Abbildung 5: Bedeutsamste Themenfelder der Digitaliserung bei Diabetes.



Autor:
© Ludwig Niethammer
Prof. Dr. Bernhard Kulzer
Diabetes Zentrum Mergentheim, Forschungsinstitut der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim, diateam


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (7/8) Seite 14-16