In der Deutschen Diabetes Gesellschaft gibt es eine Arbeitsgemeinschaft Diabetes, Umwelt & Klima. Lesen Sie hier, welche Aufgaben sich die Mitglieder gestellt haben, und warum die AG so wichtig ist.
Die Arbeitsgemeinschaft Diabetes, Umwelt & Klima (AG DUK) ist die jüngste AG der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Sie beschäftigt sich mit der reziproken Beziehung zwischen Menschen mit Diabetes und der Umwelt sowie Möglichkeiten der Ressourcenoptimierung im Rahmen des Diabetesmanagements. Umweltfaktoren nehmen wesentlich Einfluss auf uns Menschen. Eine stetig wachsende Datenbasis beschreibt die Einflüsse der klimatischen Veränderungen, Luftverschmutzung, Lärm und Extremwetterereignissen wie Hitze, aber auch Kälte auf die menschliche Gesundheit. Insbesondere Menschen mit chronischen Erkrankungen, so auch mit Diabetes mellitus, stellen eine besonders vulnerable Gruppe dar. Obgleich Diabetes-Teams und Menschen mit Diabetes aus Erfahrung wissen, dass beispielsweise Hitze einen relevanten Einfluss auf das Diabetesmanagement nimmt, gibt es erstaunlicherweise bisher nur wenige Daten zu dieser Thematik. Dementsprechend gibt es keine evidenzbasierten, systematischen Handlungsempfehlungen für den Umgang mit diesen Herausforderungen für Menschen mit Diabetes und ihre Diabetes-Teams.
Im Rahmen der Diabetestherapie entsteht eine Vielzahl von Abfällen. Ein systematisches Sammeln, Trennen und Recyclen findet nicht statt, sodass wertvolle Ressourcen regelmäßig im Restmüll entsorgt und vernichtet werden.
Die AG DUK möchte sich diesen Problemfeldern annehmen und die Diabetologie für die Herausforderungen der Zukunft aufstellen, um die Versorgung von Menschen mit Diabetes zu sichern. Wir möchten insbesondere den systematischen, evidenzbasierten Wissensaufbau und der Vermittlung dieses Wissens fördern. Menschen mit Diabetes und ihre Diabetes-Teams sollen praktische Empfehlungen und Hilfestellungen zum Verhalten bei Herausforderungen durch klimatische Veränderungen und Extremwetterereignisse erhalten. Auch möchten wir Wege zu ressourcenoptimiertem Agieren im Alltag finden und aufzeigen. Forschungsbemühungen sollen gefördert und eine Vernetzung mit bereits bestehenden nationalen und internationalen Organisationen angestrebt werden, um Synergien zu nutzen und gemeinsam die Herausforderungen, die uns bevorstehen, zu meistern.
Im Mittelpunkt stehen dabei medizinische Aspekte bei der Behandlung von Menschen mit Diabetes, die bei Klimaveränderungen von Relevanz sind, die Ressourcenoptimierung, sowie Empfehlungen zu einem entsprechenden Lebensstil. Mit diesen Empfehlungen sollen alle Beteiligten sensibilisiert und konkrete Wege für ein nachhaltiges Handeln aufgezeigt werden.
Der Einfluss der Umwelt auf Menschen mit Diabetes mellitus kann erheblich sein.
Wissenschaftler:innen sehen zunehmend Zusammenhänge zwischen Veränderungen unserer Umwelt und der Entstehung von Diabetes mellitus. In einer aktuellen Übersichtsarbeit hat es einen Einblick in die Thematik gegeben. So beschreibt eine epidemiologische Studie aus den USA einen Anstieg der Prävalenz von Typ-2-Diabetes mellitus und der Außentemperatur. Es wird geschätzt, dass der Anstieg um 1 °C mit > 100 000 neuen Diabetesfällen pro Jahr einhergeht. Ähnliche Zusammenhänge mit der Außentemperatur wurden sowohl für Krankenhausaufenthalte und auch die Mortalität von Menschen mit Diabetes gefunden. Insbesondere jene Menschen mit kardiovaskulären Begleiterkrankungen sowie Menschen über 65 Jahren sind demnach besonders gefährdet. Im Rahmen der Klimakrise häufen sich zudem Extremwetterereignisse. Diese gefährden nicht nur akut die medizinische Versorgung, z.B. durch Engpässe in der Bereitstellung lebensnotwendiger Medikamente wie Insulin. Es gibt auch Hinweise darauf, dass die Exposition gegenüber Naturkatastrophen noch Monate später bei Menschen mit Diabetes zu einer schlechter regulierten Stoffwechsellage führt.
Mehrere weitere Studien legen nahe, dass Luftverschmutzung mit Insulinresistenz und der Entwicklung eines Typ-2-Diabetes mellitus assoziiert ist. Dementsprechend gehen Forschende davon aus, dass rund 20% der weltweiten Fälle von Typ-2-Diabetes auf Luftverschmutzung zurückzuführen sind. Weitere Daten deuten auf eine gesteigerte kardiovaskuläre Mortalität und eine Verbindung mit der Entwicklung einer Polyneuropathie hin. Obgleich die angeführten Studien keinen Kausalzusammenhang belegen, liefern sie Hinweise auf die Auswirkungen unserer sich verändernden Umwelt auf den Glukosestoffwechsel.
Ein wesentlicher Aspekt der Klimakrise sind Hitzewellen. Die Effekte von Hitze auf Menschen mit Diabetes, über welche Diabetes-Teams und Menschen mit Diabetes aus ganz praktischen Erfahrungen berichten können, sind bisher nicht eingehend systematisch untersucht worden. Wir wissen, dass die Durchblutung der Haut, welche maßgeblich für die Thermoregulation verantwortlich ist, die Insulinwirkung massiv beeinflussen kann. Auch der Insulinbedarf kann variieren, ganz zu schweigen von Problemen bei der korrekten Lagerung des Medikaments – erfolgt diese unsachgemäß, kann es zu einer Wirkabschwächung kommen. Pharmaka wie SGLT2-Hemmer können im Rahmen von Hitzestress problematisch werden, sodass eine Überprüfung und ggf. Therapieanpassung notwendig sind. Nicht zuletzt kann moderne Diabetestechnologie, z.B. Glukosesensoren, in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Insgesamt ist die Datenbasis zu der Thematik dünn und bisher kaum systematisch aufgearbeitet worden.
Aktuell wird eine Literaturrecherche zum Einfluss von klimatischen Veränderungen und Umweltfaktoren auf Menschen mit Diabetes angestrebt. Ziel ist es, zunächst erstmals eine systematische Datenbasis zu erheben. Im nächsten Schritt möchten wir aus dieser konkrete Handlungsempfehlungen für Menschen mit Diabetes und ihren Diabetes-Teams ableiten, z.B. im Hinblick auf das Verhalten, die Dosisanpassung der antidiabetischen Therapie und den Umgang mit Diabetestechnologie im Rahmen von Hitzewellen. Darüber hinaus möchten wir Wissenslücken identifizieren, für welche weitere Forschungsbemühungen notwendig sind. Ziel ist es, eine S2k-Leitlinie zu erstellen und die wesentlichen Empfehlungen prägnant und übersichtlich zur Verfügung zu stellen.
Ressourcenoptimierung in der Diabetologie
Gesundheitssysteme weltweit sind für rund 5% der globalen CO2–Emissionen und mehrere Millionen Tonnen an Abfall pro Jahr verantwortlich. Im Behandlungsalltag zählt die Diabetologie sicherlich zu denjenigen Bereichen in der Medizin, die vergleichsweise wenig ressourcenintensiv sind, da dem Gespräch und der Beratung eine große Bedeutung zuteil wird. Allerdings kommen bei der alltäglichen Diabetestherapie zahlreiche Hilfsmittel zum Einsatz, die für die angemessene medizinische Versorgung unverzichtbar sind. Die meisten davon sind Einmalprodukte. Es gibt kein systematisches Recycling in großem Maßstab. Dadurch entsteht ein hohes Abfallaufkommen, und Ressourcen werden vernichtet. Menschen mit Diabetes und Diabetes-Teams haben darauf kaum Einfluss. Es müssen Wege gefunden werden, um dieses Müllaufkommen zu reduzieren. Mehrfach verwendbare Hilfsmittel und Recyclingprogramme sind notwendig. Eine aktuelle, hier im Diabetes-Forum veröffentlichte Umfrage unter 80 Menschen mit Diabetes und Insulintherapie in einer Schwerpunktpraxis in Wetzlar ergab, dass eine deutliche Mehrheit der Befragten sich eine Reduktion des Mülls, Recycling durch die Hersteller und Hilfsmittel zum mehrfachen bzw. längeren Gebrauch und Sammelstellen zum Abgeben ihres "Diabetes-Abfalls" wünscht (siehe S. 22).
Zusammenfassung und Ausblick
Die AG DUK beschäftigt sich gezielt mit der Frage, wie im Bereich der Diabetologie alle Aspekte des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit unterstützt und ressourcenbewusstes Handeln umgesetzt werden kann. Dabei sollen alle Akteure eingebunden und verschiedene Perspektiven berücksichtigt werden. Durch Interaktion mit internationalen Initiativen wie "Green Diabetes" und anderen Fachorganisationen möchten wir Erfahrungsaustausch initiieren. Weiterhin sollen wissenschaftliche Aktivitäten bei diesem Themenkomplex unterstützt werden. Über neue Erkenntnisse, Vorschläge und Anregungen in diesem Zusammenhang werden wir regelmäßig informieren (Abbildung).
© AG DUK | Abbildung: Die Positionierung der AG DUK im Spannungsfeld von Klimakrise und Ressourcenoptimierung.
Im Rahmen der DDG-Frühjahrstagung in Berlin wird am Donnerstag, 9. Mai 2024, von 10:30 bis 12 Uhr in der Halle A3 ein Symposium der AG DUK zusammen mit der AG Nachwuchs stattfinden. Hier wird es um den Einfluss des Klimawandels auf die Gesundheit von Menschen mit Diabetes und den praktischen Umgang damit gehen. Zudem sollen Möglichkeiten zur nachhaltigen Gestaltung der Patient:innenversorgung und die Thematik des therapieassoziiierten Abfallaufkommens inkl. dem sogenannten "digital waste" diskutiert werden. All diese Themen sind hochrelevant und zeigen enormen Handlungsbedarf auf.
Wir laden Sie herzlich ein, uns zu unterstützen und sich einzubringen. Weitere Informationen finden Sie auf der Website der AG.
- Klimawandel und Diabetes
- Die AG Diabetes, Umwelt & Klima stellt sich vor
- Im Fokus: pflanzenbetonte Ernährungsweise
- Auswirkungen von Kunststoffen auf die Gesundheit
- „Müll, Müll, Müll“ – Pilotstudie aus Wetzlar
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (5) Seite 14-16